Scott Brinker ist nicht nur ein renommierter Experte in der Marketing-Technologie, sondern seit 2010 auch Herausgeber von chiefmartech.com und der jährlich erscheinenden Marketing Technology Landscape Supergraphic – einer umfangreichen Übersicht über verschiedene Anbieter und Lösungen im MarTech-Bereich.

Wir haben uns sehr darüber gefreut, ihn erneut als besonderen Gast in unserem Webinar Scott Brinker on Content Operations in the age of AI, begrüßen zu dürfen. In diesem Blogpost haben wir Ihnen die wichtigsten Erkenntnisse aus unserem Gespräch zusammengefasst.

Q. Welche Anwendungsfälle beobachten Sie aktuell im gesamten Martech-Bereich im Zusammenhang mit KI?

Ich würde meine aktuellen Beobachtungen in drei Kategorien einteilen.

Zum einen nutzen viele Unternehmen neue KI-Tools, um ihre Content Operations effizienter zu gestalten – sei es bei der Ideenfindung, der Produktion oder der Auslieferung von Inhalten.

Zum anderen verändert sich einiges im Bereich der Customer Experience (CX). KI kann Inhalte auch ohne klassische Suchmaschinen auffindbar machen und Content Experiences auf der Website einer Marke gezielt optimieren.

Nehmen wir die neueste Chatbot-Generation als Beispiel: Sie ist mittlerweile so fortschrittlich, dass sie große Mengen an Daten und Inhalten aus dem Backend einer Website verarbeiten und dadurch den Austausch mit Besuchern viel effektiver gestalten kann.

Der dritte Bereich dreht sich um Content Intelligence – also darum, was Sie mit all den gesammelten Nutzungsdaten machen und welche Erkenntnisse Sie daraus gewinnen können. Natürlich könnten wir die Performance-Daten von Inhalten auch selbst analysieren, doch das kostet viel Zeit und erfordert in der Regel die Hilfe von echten Analytics-Experten.

Marketingteams haben heutzutage den Vorteil, dass immer mehr KI-Tools auf den Markt kommen, mit denen sie wichtige Insights selbst abrufen und auswerten können, um sie in neue Content-Ideen einfließen zu lassen.

Q. Welche Vorbereitungen müssen Unternehmen treffen, um ihren Content möglichst effektiv mit KI zu optimieren?

Das ist eine echte Herausforderung, denn wir müssen im Umgang mit KI die Grenzen des Möglichen erweitern. Wer nicht Schritt hält, wird im schlimmsten Fall schnell von der Konkurrenz abgehängt. Das erzeugt in den meisten Unternehmen natürlich einen enormen Druck.

Es ist extrem wichtig, dass Unternehmen über eine solide Martech-Grundlage mit starker Governance und solidem Zusammenhalt verfügen. Nur so können sie KI-Technologien effektiv und verantwortungsvoll einsetzen.

In anderen Worten: Ein zuverlässiges System of Record war schon immer wichtig. Doch mittlerweile müssen Unternehmen so viele Inhalte wie nie zuvor erstellen – und kommen an einer solchen Lösung kaum noch vorbei.

Q. Denken Sie, dass der rasante Fortschritt bei KI-Technologien Marketer am Ende sogar kreativer macht?

Dazu müssen wir uns erst einmal genauer damit auseinandersetzen, womit sich Marketer normalerweise beschäftigen. Ich würde sagen, es gibt drei Kategorien.

„Strategie und Kreativität“ fallen zum Beispiel in die erste Kategorie. Sie sind die Basis für jede Marketingmaßnahme.

Die zweite Kategorie bezeichne ich der Einfachheit halber als „Produktion und Analyse“. Sie umfasst alle Aufgaben, die während verschiedener Prozesse anfallen. Genau hier investieren Marketer vermutlich den Großteil ihrer Zeit, Energie und Ressourcen, denn die Erstellung von Inhalten war bisher meist ein manueller Prozess.

Selbst eine simple Aufgabe wie die Suche nach einem digitalen Asset gehört zum Produktionsprozess und kann am Ende deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen, als man denkt.

Die dritte Kategorie – und die ist in den letzten zehn Jahren immer wichtiger geworden – ist das, was man als „Martech und Marketing Operations“ bezeichnet. Dabei geht es um die technologische Unterstützung, die hinter Strategie, Kreativität und Produktion im Content-Lebenszyklus steht.

Bei genauerem Blick auf die aktuellen KI-Trends wird schnell klar, dass der Großteil dieser Entwicklungen in irgendeiner Form mit der Produktion von Inhalten zu tun hat.

Heute können wir KI gezielt einsetzen, um deutlich weniger Energie in die Content-Produktion zu stecken. Und genau darin liegt eine große Chance: Da wir mehr Zeit und weniger manuellen Aufwand haben, können wir stark in Strategie und Kreativität investieren.

Was ich daran besonders interessant finde, ist, dass Marketer vorher nicht wissen können, was in der Praxis funktioniert und was nicht. Aber mit KI im Martech-Bereich können sie mehrere Strategien ausprobieren, ohne viel Zeit zu verlieren.

Ich bin davon überzeugt, dass für Marketer eine Art goldenes Zeitalter anbricht. Denn mit KI und starkem Content können sie Marken noch besser hervorheben.

Q. Was fällt Ihnen auf, wenn Unternehmen KI in ihre Content Operations integrieren?

Ich denke, Unternehmen müssen sich mit zwei Ebenen auseinandersetzen:  der organisatorischen und der technischen.

Auf organisatorischer Ebene – und genau das haben wir in unseren jährlichen Berichten untersucht – zeigt sich ein großer Unterschied zwischen Unternehmen mit und ohne Richtlinien für generative KI.

In den fortschrittlichsten Unternehmen gibt es offiziell eine Person oder ein ganzes Team, die für die Entwicklung und Pflege der KI-Richtlinien verantwortlich sind. Da sich KI konstant weiterentwickelt, müssen Mitarbeiter flexibel mit den Richtlinien umgehen können.

Solche Unternehmen möchten KI bewusst einsetzen – aber nicht, ohne vorher klare Rahmenbedingungen zu schaffen. Sie wissen, welches Potenzial KI bietet, sind sich aber auch der rechtlichen und ethischen Aspekte bewusst, die damit einhergehen.

Letztlich sind es genau diese Marken, die KI am effektivsten in ihre Content Operations einbinden. Denn mit klaren Vorgaben schaffen sie Sicherheit und ermöglichen es ihren (Marketing-)Teams, mutiger zu sein, Neues auszuprobieren und einfach mal loszulegen.

Was den technischen Aspekt betrifft, geht es – wie bereits erwähnt – vor allem darum, ein zentrales System of Record zu besitzen, um alle Inhalte und Prozesse verlässlich zu dokumentieren.

Man benötigt einfach einen zentralen Ort, an dem man den Überblick behält – was gerade gemacht wird, wie es läuft und welche Ergebnisse erzielt werden.

Ohne dieses Fundament nutzt selbst die beste KI-Richtlinie nichts. Man verliert schnell den Überblick darüber, wie Mitarbeiter KI einsetzen und wie man am besten eingreifen kann, wenn etwas schiefläuft.

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Q. Welche KI-bezogenen Innovationen wird es in den nächsten Jahren voraussichtlich im Martech-Bereich geben?

Ich finde, dass schon jetzt ein beeindruckendes Tool nach dem anderen auf den Markt kommt – und das ist besonders für Content-Profis spannend, denn viele dieser Martech-Lösungen können die Umsetzung von Content- und Kampagnenideen stark beschleunigen.

Eine Prognose für die Zukunft? Schwer zu sagen. Aber eine Sache finde ich ganz besonders spannend: KI-Technologien revolutionieren nicht nur unser Marketing, sondern verändern auch die Arbeitsweise von anderen Abteilungen wie Vertrieb oder Produktion … und deshalb bin ich sehr gespannt, was als Nächstes kommt.

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